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Inhalt und Funktionsweise des Standardlastprofilverfahrens

Diese Unterrichtseinheit beleuchtet das Standardlastprofilverfahren (SLP) in der Energiewirtschaft. Sie lernen die Definition von Lastprofilen und SLP kennen, verstehen deren Zweck und Funktionsweise für die Energiebilanzierung von Letztverbrauchern ohne registrierende Leistungsmessung. Wir behandeln die regulatorischen Grundlagen, den Anwendungsbereich sowie die zentrale Rolle des SLP-Verfahrens in der Marktkommunikation und im Abweichungsmanagement.

Motivation

Das Verständnis des Standardlastprofilverfahrens ist essenziell für jeden Akteur in der Energiewirtschaft. Es bildet die Grundlage für die Abrechnung und Bilanzierung des Energieverbrauchs von Millionen von Kunden, von Haushalten bis zu kleinen Gewerbebetrieben. Ohne SLP wäre die Marktkommunikation in diesem Segment ineffizient und unbezahlbar. Diese Einheit vermittelt Ihnen das nötige Wissen, um die Prozesse und Herausforderungen in der täglichen Praxis der Energieversorgung zu verstehen und aktiv mitzugestalten.

1. Was sind Lastprofile und Standardlastprofile (SLP)?

In der Energiewirtschaft spielt die genaue Erfassung und Prognose des Energieverbrauchs eine entscheidende Rolle für die Bilanzierung und Abrechnung. Hierbei begegnen uns zunächst die Begriffe 'Lastprofil' und 'Standardlastprofil'.

Ein Lastprofil ist gemäß § 2 Nr. 4 der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) eine Zeitreihe, die für jede Abrechnungsperiode einen Leistungsmittelwert festlegt. Es beschreibt also, wie sich der Energieverbrauch eines Kunden über einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr, aufgeteilt in Viertelstundenwerte) verteilt.

Ein Standardlastprofil (SLP) ist ein repräsentatives Lastprofil, das den typischen Verlauf der abgenommenen elektrischen Leistung bestimmter Kundengruppen abbildet. Es dient dazu, den tatsächlichen Lastgang an einer Marktlokation ohne Registrierende Leistungsmessung (RLM) zu prognostizieren und zu bilanzieren (Wikipedia). SLP basieren auf statistischen Daten und ermöglichen es, den Energiebedarf von Haushalten oder kleinen Gewerbebetrieben zu schätzen (Wattline).

2. Zweck und Funktionsweise des SLP-Verfahrens

Der Hauptzweck des SLP-Verfahrens liegt in der Vereinfachung der Energiebilanzierung und -abrechnung für bestimmte Letztverbrauchergruppen. Es ermöglicht eine effiziente Abwicklung, wo eine teure und aufwendige Registrierende Leistungsmessung (RLM) unwirtschaftlich wäre.

Die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen sind nach § 12 Abs. 1 StromNZV verpflichtet, im Niederspannungsnetz für die Stromlieferung an Letztverbraucher mit einer jährlichen Entnahme von bis zu 100.000 Kilowattstunden vereinfachte Methoden (standardisierte Lastprofile) anzuwenden, sofern keine Übermittlung von Last- oder Zählerstandsgängen nach dem Messstellenbetriebsgesetz erfolgt (Qdrant Quelle).

Die Standardlastprofile (SLP) sollen die viertelstündliche Stromabnahme dieser Gruppen in der Gesamtheit möglichst präzise abbilden. Ziel ist es, die Abweichungen zwischen den prognostizierten Liefermengen und dem tatsächlichen Verbrauch in den Differenzbilanzkreisen zu minimieren (BDEW). Dies geschieht über ein sogenanntes Synthetisches Verfahren, bei dem typische Verbrauchsmuster auf den Jahresverbrauch eines Kunden skaliert werden.

  • **Vereinfachung:** Deutliche Reduzierung des Mess- und Abrechnungsaufwands.
  • **Wirtschaftlichkeit:** Vermeidung hoher Kosten für RLM bei kleinen Verbräuchen.
  • **Bilanzierungssicherheit:** Ermöglichung einer Strommengenprognose für den Energiehandel.
  • **Gleichbehandlung:** Anwendung einheitlicher Methoden für vergleichbare Kunden.

3. Regulatorischer Rahmen und Anwendungsbereich

Das Standardlastprofilverfahren ist fest im deutschen Energierecht verankert und unterliegt klaren Vorgaben, um Transparenz und Fairness zu gewährleisten.

Die **Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV)** bildet die zentrale Rechtsgrundlage:

Für die Anwendung von SLP sind gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 7 StromNZV einheitliche Abwicklungsregelungen für das synthetische Verfahren zu beachten. Dies beinhaltet die transparente Zuordnung der Kunden zu den jeweiligen SLP-Typen (z.B. H0 für Haushalte, G0 für Gewerbe). Die verwendeten SLP müssen den Vorgaben der Bundesnetzagentur entsprechen und regelmäßig aktualisiert werden. Die angewendeten SLP-Werte müssen dokumentiert und für den Kunden nachvollziehbar sein (Qdrant Quelle).

Neben der StromNZV kann das SLP-Verfahren auch in anderen Gesetzen relevant sein. So legt beispielsweise § 48 Abs. 2 des **Strompreisbremsegesetzes (StromPBG)** fest, dass für die Berechnung des Entlastungsbetrags für bestimmte Stromkunden, deren Verbrauch nicht individuell gemessen wird, standardisierte Lastprofile herangezogen werden (Qdrant Quelle).

Für Gaskunden gelten ähnliche Prinzipien, jedoch mit anderen Grenzwerten. Im Gasbereich werden SLP beispielsweise für Ausspeisepunkte bis zu einer maximalen stündlichen Ausspeiseleistung von 500 Kilowattstunden/Stunde und einer jährlichen Entnahme von bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden angewendet (stwbs.de, e-regio.de).

4. SLP in der Marktkommunikation: Prozesse und Datenflüsse

Das SLP-Verfahren ist ein integraler Bestandteil der Marktkommunikation im deutschen Energiemarkt. Es regelt den Datenaustausch zwischen Netzbetreibern und Lieferanten und stellt sicher, dass alle Marktpartner auf einer gemeinsamen Datenbasis agieren.

Ein zentraler Bestandteil ist die Jahresverbrauchsprognose des Netzbetreibers nach § 13 Abs. 1 StromNZV. Diese Prognose bildet die Grundlage für die Bilanzierung der über standardisierte Lastprofile versorgten Kunden. Der Netzbetreiber übermittelt diese Prognose an das Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Qdrant Quelle).

Die Abwicklung des Datenaustauschs erfolgt über standardisierte Nachrichtenformate und Prozesse, die im Rahmen von MaBiS (Marktregeln für die Bilanzierung von Strom) definiert sind. Hierbei werden verschiedene Zeitreihen ausgetauscht. Eine wichtige Zeitreihenart ist die 'Standardlastprofilsumme' (Code: SLS), welche die Summe der Lastgänge aller SLP-Kunden eines Lieferanten oder eines Bilanzkreises darstellt (Qdrant Quelle).

  • **Netzbetreiber:** Verantwortlich für die Erstellung und Pflege der SLP, die Zuordnung der Kunden und die Übermittlung der Jahresverbrauchsprognosen.
  • **Lieferant:** Nutzt die vom Netzbetreiber bereitgestellten SLP-Daten für die Beschaffung der Energiemengen und die Abrechnung mit dem Endkunden.
  • **Bilanzkreise:** SLP-Mengen werden in Bilanzkreisen zusammengefasst, um die Abweichungen zwischen Prognose und tatsächlichem Verbrauch zu managen.

5. Herausforderungen und Abweichungsmanagement

Trotz der statistischen Genauigkeit von Standardlastprofilen können Abweichungen zwischen dem prognostizierten und dem tatsächlichen Verbrauch auftreten. Diese Differenzen sind ein wesentlicher Aspekt des SLP-Verfahrens und müssen gemanagt werden.

Wenn die tatsächliche Entnahme eines Lastprofilkunden erheblich von der Jahresverbrauchsprognose abweicht, werden diese Differenzen gemäß § 2 Nr. 2 StromNZV als Mehr- und Mindermengen bezeichnet (Qdrant Quelle, ergänzt). Diese Mengen werden zwischen Netzbetreiber und Lieferant abgerechnet, um die Bilanzkreise auszugleichen.

Es ist die Aufgabe des Netzbetreibers, Abweichungen zu analysieren und gegebenenfalls die SLP-Zuordnung zu überprüfen oder die Prognosegrundlagen anzupassen. Die regelmäßige Aktualisierung der SLP durch die Bundesnetzagentur stellt sicher, dass die Profile möglichst aktuell bleiben und gesellschaftliche oder technologische Veränderungen im Verbrauchsverhalten berücksichtigen.

  • **Prognosegüte:** Ständige Herausforderung, die SLP so genau wie möglich zu halten.
  • **Mehr- und Mindermengen:** Finanzieller Ausgleich für Abweichungen zwischen Prognose und Realität.
  • **Analyse und Anpassung:** Kontinuierliche Überprüfung der SLP-Zuordnung und der Profile selbst.

Zusammenfassung

Das Standardlastprofilverfahren ist ein unverzichtbares Instrument in der Energiewirtschaft, das die Bilanzierung und Abrechnung von Energie für Millionen von Letztverbrauchern ohne registrierende Leistungsmessung ermöglicht. Es basiert auf statistischen Verbrauchsmustern und ist durch die StromNZV und weitere Gesetze reguliert. Als Kernbestandteil der Marktkommunikation sorgt es für einen standardisierten Datenaustausch zwischen Netzbetreibern und Lieferanten, wobei das Management von Abweichungen (Mehr- und Mindermengen) eine zentrale Rolle spielt.

Quellen & Referenzen

  1. Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV)
  2. Strompreisbremsegesetz (StromPBG)
  3. BDEW: Standardlastprofile Strom - Grundlagen & Anwendung (https://www.bdew.de/energie/standardlastprofile-strom/)
  4. Wikipedia: Standardlastprofil (https://de.wikipedia.org/wiki/Standardlastprofil)
  5. Wattline: Standardlastprofil bei Strom & Gas (https://www.wattline.de/energiewissen/standardlastprofil/)
  6. StWB: Anlage 5: Standardlastprofilverfahren (https://www.stwbs.de/fileadmin/Dokumente/Netz/Erdgas/NN_Gaskunde_2024/Standardlastprofilverfahren.pdf)
  7. e-regio: Anlage 5: Standardlastprofilverfahren und Verfahren zur Mehr ... (https://cms.e-regio.de/assets/global/Dokumente/Vertr%C3%A4ge-und-Verfahren/Anlage_5_Standardlastprofilverfahren_und_Verfahren_zur_Mehr-Mindermengenabrechnung_01.pdf)
  8. Interne Qdrant Quellen (verweisen auf bereitgestellte Datenbasis)